Gildenhaus Exkurs – Presse – NW

Gildenhaus Exkurs – Presse – NW
AUTOR
Martin Krause

Wirtschaft OWL-Firmen in Ostdeutschland: Das Gildenhaus hat eine Reise organisiert. Unternehmen haben ihre Standorte direkt nach der Wende ausgebaut. Das Engagement hat sich wirtschaftlich gelohnt

Seit 20 Jahren bei Böllhoff: Betriebsleiter Lutz Beling zeigt Nieten aus dem Werk Sonnewalde. - © Martin Krause
Seit 20 Jahren bei Böllhoff: Betriebsleiter Lutz Beling zeigt Nieten aus dem Werk Sonnewalde. | © Martin Krause

Dresden. Ortwin Goldeck war vermutlich einer der ersten Unternehmer in Ostwestfalen, die schon kurz nach dem Fall der Mauer 1989 über ein wirtschaftliches Engagement im Osten Deutschlands nachdachten und schnell zur Tat schritten. In Ost-Berlin richtete Goldbeck vor mehr als 25 Jahren seine erste Ost-Niederlassung ein, rasch folgten Ableger in Leipzig und Treuen.

Der Aufbau im Osten “war die spannendste Zeit meines Unternehmerlebens”, sagt Goldbeck im Rückblick auf die emotional bewegten Zeiten. Heute beschäftigt sein Bauunternehmen fast 1.000 Mitarbeiter allein in den neuen Ländern. Und auch andere ostwestfälische Unternehmen wie Böllhoff oder Boge hatten mit ihren Investitionen in Ostdeutschland Erfolg – was am Anfang oft ein Abenteuer war, erbringt inzwischen vielfach eine gute Ernte.

Über die von Helmut Kohl versprochenen “blühenden Landschaften” in den neuen Ländern ist oft gespottet worden. Goldbeck sagt selbst: “Als wir hier anfingen, war das noch finstere DDR.” Die Umgebung der Niederlassung in Markkleeberg bei Leipzig zum Beispiel, wo der Unternehmer jetzt eine Exkursionsgruppe des Vereins Gildenhaus empfing, sei 1993 noch von schmuddeligem Tagebau geprägt gewesen. Inzwischen seien die Braunkohlegruben zu Seen umgewandelt worden, im Süden Leipzigs sei tatsächlich ein grünes und reizvolles Umfeld entstanden.
Nur einer Reihe von “Bauchentscheidungen” und Zufällen sei es zu verdanken gewesen, dass die wichtigste Ost-Niederlassung und seit 1992 auch ein großes Werk mit heute 500 Mitarbeitern ausgerechnet im entlegenen Treuen bei Plauen im Vogtland entstanden, ganz in der Nähe der sächsischen Grenzen zu Bayern und Tschechien. Dabei hatte es für Goldbeck dort nicht einmal Fördermittel gegeben: “Ende 1990 kamen alle Anträge in einen Korb, und unser Antrag geriet irgendwie ganz nach unten, obwohl wir ihn sehr früh eingereicht hatten”, erinnert Goldbeck sich heute. Sein Unternehmen mit damals erst gut 300 (inzwischen etwa 4.000) Mitarbeitern ging zunächst leer aus bei den Subventionen.

Der Bielefelder ließ sich davon nicht beirren. Überzeugt von den Fähigkeiten der qualifizierten Fachkräfte in der Region – “Plauen war ein Zentrum des Stahlbaus” – und getragen von gegenseitigem Vertrauen ging der Aufbau voran. Inzwischen ist die Region im Süden Sachsens durch die A 72 ans Autobahnnetz angeschlossen, und noch immer bietet der Standort trotz Angleichung der Tarife einen Lohnkostenvorteil von rund 10 Prozent. Diesen Vorteil genießt auch die auf Verbindungs- und Montagetechnik ausgerichtete Bielefelder Böllhoff-Gruppe, die im Süden Brandenburgs in Sonnewalde, unweit der sächsischen Grenze, ein Werk zur Produktion von Nieten und Bolzen betreibt, wie sie vor allem die Autoindustrie einsetzt. Böllhoff gehörte ebenfalls zu den unternehmerischen Pionieren im Osten Deutschlands, 1991 wurde das Sonnewalder Werk eröffnet. Geschäftskontakte hatte es schon vor der Wende zu einem Schraubenwerk im benachbarten Finsterwalde gegeben, auch hier gab es ein qualifiziertes Arbeitskräftepotenzial. “Die hier hergestellten Teile sehen schlicht aus, sie entstehen aber in einer ganzen Folge von anspruchsvollen Arbeitsschritten”, sagt der für den Bereich Umformtechnik zuständige Betriebsleiter Lutz Beling. Obwohl die öffentliche Förderung stark reduziert wurde, hat Böllhoff den Standort seit 1998 konsequent ausgebaut. Erst vor einigen Monaten wurde für rund sechs Milionen Euro eine neue Produktionshalle realisiert. Das einst sehr kleine Werk beschäftigt in drei Schichten heute 110 Mitarbeiter.

Tatkräftig: Der Unternehmer Ortwin Goldbeck.

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Neue Westfälische, 29.09.2015, Wirtschaft

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